Die Kaffeepreise steigen deutlich an – wir haben uns mit zwei Expert:innen zusammengesetzt und uns das Thema einmal genauer angeschaut. Gemeinsam mit Simone König von Cafe Imports und Philipp Touboul von Ally Coffee – beides Green Bean Supplier – haben wir über den Handel und die Zukunft gesprochen und was der Anstieg auch für die Endverbraucher:innen bedeutet.
(Simone König, Philipp Touboul)
Kaffee wird aktuell teurer – gilt das gleichermaßen für Specialty Coffee und Kaffee für den Massenmarkt (Commodity Coffee), oder gibt es hier Unterschiede?
Simone: Ja, das gilt für jeglichen Kaffee und trifft den Commodity Kaffee wahrscheinlich besonders hart, da sich Preise verdreifachen statt eine Verdoppelung, wie es bei den höher bepreisten Specialty Kaffees der Fall ist.
Philipp: Kaffee wird als Rohstoff derzeit teurer. Der Referenzpreis für Arabica, also der C-Markt (ICE Arabica Futures), ist gestiegen und wirkt sich auf die gesamte Lieferkette aus. Die Auswirkungen unterscheiden sich jedoch je nach Marktsegment: Im Commodity-Bereich sind Preissteigerungen unmittelbarer spürbar, da die Margen sehr gering sind und Preisverhandlungen oft direkt an den C-Markt gekoppelt sind. Jede Veränderung beim Basispreis hat hier direkte Konsequenzen für Einkauf und Verkauf. Im Specialty-Segment ist die Preisbildung leicht anderes. Viele Kaffees bewegen sich mit einem der Differenzial so weit über dem C-Preis, dass kurzfristige Schwankungen weniger stark ins Gewicht fallen. Dennoch: Auch dieser Bereich bleibt nicht unbeeinflusst. Produzenten und Händler sehen sich ebenso mit steigenden Produktionskosten, volatilen Rahmenbedingungen und einem sich verändernden globalen Markt konfrontiert. Wichtig ist: Auch Specialty Coffee ist Teil des Marktes – und damit Teil eines Systems, das auf Angebot und Nachfrage reagiert. Es hilft, diesen Zusammenhang ohne einfache Schwarz-weiß-Muster zu verstehen. Es geht nicht um “gut” oder “böse”, sondern um wirtschaftliche Realitäten, die alle Beteiligten betreffen – wenn auch auf unterschiedliche Weise.
Welche Faktoren beeinflussen gerade besonders die Preise für Specialty Coffee? Sind es dieselben wie im Massenmarkt oder gibt es spezielle Herausforderungen?
Philipp: Diese Frage ist komplex und lässt sich nicht in einem Satz beantworten – aber um die wichtigsten Einflussfaktoren zu nennen, ohne den Rahmen zu sprengen:
• Klimawandel und Wetterextreme
• globale Ereignisse und geopolitische Entwicklungen (z. B. Kriege, Handelsrouten)
• Angebotsengpässe und schwache Ernten in Hauptanbauländern
• neue regulatorische Anforderungen z. B. in 2024 EUDR
• Währungsschwankungen (besonders in Ländern wie Kolumbien, Äthiopien, Brasilien)
• steigende Nachfrage aus neuen Konsumländern wie China und Indien
Grundsätzlich gilt:
Wie bei vielen Rohstoffen wie Zucker, Weizen, Baumwolle, Öl oder Gold wird Kaffee als Commodity betrachtet. Für börsengehandelte Güter ist der Basispreis eine Art Sensor für globale Ereignisse. Je instabiler unsere globalisierte Welt, desto instabiler die Märkte – auch (und besonders) beim Kaffee.
Simone: Es sind die gleichen Faktoren, aber hinzukommt, dass Spezialitäten Kaffees, die eigentlich unabhängig von der Börse gehandelt werden, so wie Microlots oder high quality Afrikanische Kaffees auch teurer werden und sich an dem Börsenpreis orientieren, um in ihrer Wertigkeit nicht unter Commodity Coffee zu liegen.
Wie sieht es mit den Preisunterschieden innerhalb von Specialty Coffee aus? Werden hochbewertete Microlots besonders teuer oder betrifft es alle Qualitäten?
Simone: Es betrifft alle Qualitäten, allerdings ist der Anstieg bei Microlots nicht so extrem wie bei Börsen orientierten Kaffees. Da bezieht man sich eher auf Produktionskosten und Aufwand sowie gängigeren Preisgrenzen und Angeboten der Käufer statt an spekulativ getriebenen Preiseinflüssen.
Philipp: Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass ich hier nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen kann und wie wir bei Ally Coffee einkaufen und arbeiten. Im Specialty-Coffee-Bereich spielt der Cupscore eine entscheidende Rolle, ebenso wie Zertifizierungen und andere Qualitätsmerkmale. Diese Faktoren beeinflussen nicht nur den Preis, sondern auch das Differenzial zum C-Markt, was sich wiederum auf den FOB-Preis auswirkt. Zwar hat der C-Markt einen Einfluss, aber er ist bei hochwertigem Specialty Coffee eher von untergeordneter Bedeutung. Die Preisgestaltung wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst – neben der Qualität, also dem Cupscore, auch von Verfügbarkeit, Herkunft, Produktionskosten und aktuellen Markttrends. Sehr kleine Microlots und besonders exklusive Kaffees, (Bio-Reactor Thermal Shock 48 h fermented Washed Gesha z. B.. :)), weniger von Schwankungen im C-Markt betroffen sind, da sie ohnehin weit entfernt vom C-Markt operieren. Ihre Exklusivität und besonderen Aufbereitungsverfahren führen zu einer ganz eigenen Preisstruktur.
Viele Kaffeefarmen im Specialty-Bereich arbeiten nachhaltiger und kleinteiliger – trifft sie der Klimawandel härter als große Commodity-Plantagen?
Simone: Das ist schwierig zu beurteilen, da wir nur Specialty importieren und mit Partnern in diesem Bereich arbeiten. Der Klimawandel trifft, denke ich viele gleichermaßen, da sich ganze Wetter muster ändern, Ernten verschieben und Kaffeepflanzen in einer ganzen Region mit ähnlichen Problemen heranreifen. Einzig die finanziellen Mittel werden zwischen Klein- und Großproduzenten anders sein. Es besteht schon sehr viel Wissen, wie man Ernten in hohen Anbaugebieten nachhaltig beeinflusst, aber die Herausforderungen des Klimawandels verursachen oft nie da gewesene Herausforderungen, die schnelle Learnings in den nächsten Jahren nach sich fordern werden.
Gibt es Spekulationen auf Specialty Coffee oder ist dieser Markt von den Rohstoffbörsen eher unabhängig?
Philipp: Nicht direkt, jedoch kann Specialty Coffee unter bestimmten Umständen auch von den Spekulationen auf dem C-Markt beeinflusst werden. Es kommt immer auf den spezifischen Fall an. Wenn wir Rohstoffe im Allgemeinen betrachten, die gehedged werden, sei es Specialty Coffee oder nicht, gibt es immer Spekulationen, die die Preise beeinflussen können – genauso wie bei anderen Agrarrohstoffen. Um das besser zu verstehen, sollten wir den Rohstoffmarkt allgemein betrachten: Auf den Börsen werden Futures-Kontrakte gehandelt, die den zukünftigen Preis eines Rohstoffs festlegen. Diese Kontrakte bieten Investoren und Spekulanten die Möglichkeit, auf Preisschwankungen zu setzen – unabhängig von der tatsächlichen physischen Verfügbarkeit des Produkts. Spekulanten handeln auf Basis von Markterwartungen und zukünftigen Angebot- und Nachfragesituationen. Wie erwähnt ist der C-Markt der Referenzpreis und schwankt aufgrund politischer, wirtschaftlicher und klimatischer Ereignisse, und es sind oft die Spekulanten, die diese Schwankungen verstärken, indem sie auf steigende oder fallende Preise setzen. Specialty Coffee also nicht direkt von Spekulationen betroffen, ist aber trotzdem unter bestimmten Voraussetzungen betroffen von dem Basispreis, also dem C-Markt und somit auch den Spekulationen.
Wie haben sich die Preise für Rohkaffee in direkten Handelsbeziehungen verändert? Gibt es weiterhin Spielraum für langfristige Partnerschaften oder wird es schwieriger?
Philipp: Ich denke, es wäre sinnvoll, zunächst zu klären, was genau mit „direkt“ in diesem Kontext gemeint ist. Der Begriff ist nicht klar definiert und wird oft vage verwendet. Persönlich bevorzuge ich den Begriff „Relationship Coffee“, da dieser die Bedeutung langfristiger, transparenter Partnerschaften zwischen den Akteuren im Kaffeemarkt viel besser widerspiegelt. Meiner Ansicht nach sind langfristige und direkte Partnerschaften der Weg in die Zukunft und Lösungen für viele Probleme, da sie eine Möglichkeit bieten, sich bestmöglich von den extremen Schwankungen des Marktes zu entkoppeln. Ich glaube, dass es zunehmend schwieriger wird, sich auf Spot-Coffee zu verlassen – zumindest bei den Volumenkaffees und Blends. Um das Portfolio spannend zu halten und weiterhin die Vielfalt von Kaffee anbieten zu können, wird es immer möglich sein, interessante Lots und schöne Single Origins Spot zu kaufen.
Wie reagieren Specialty-Röstereien auf die steigenden Preise? Werden sie direkt weitergegeben oder versuchen sie, andere Lösungen zu finden?
Philipp: Das hängt ganz von der Situation ab. Wir hatten alle mit steigenden Kosten gerechnet, aber die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Erhöhungen haben uns doch alle überrascht. Wie bereits erwähnt, kamen viele Faktoren gleichzeitig zusammen. Ich denke, viele Röstereien werden die Preise wohl oder übel anpassen müssen oder haben es bereits und/oder einen Teil der Mehrkosten schlucken oder ihre Margen reduzieren müssen. Das ist natürlich keine einfache Lage, da neben den Kosten für grünen Kaffee auch viele andere Dinge teurer werden, was die Situation weiter verkompliziert. Ich glaube, niemand erhöht gerne die Preise in solch drastischem Maß, aber was wir gerade erleben, ist eine Art Schock, gefolgt von einer allmählichen Akzeptanz der Situation. Das Positive, wenn man es so nennen kann, ist, dass alle Akteure und alle Kategorien im Kaffeegame früher oder später ihre Preise anpassen müssen, sobald die alte Inventur aufgebraucht ist. Das bedeutet, dass wir alle gemeinsam in diesem Boot sitzen, und es könnte dadurch etwas einfacher werden, dies den Kunden zu erklären. Besonders für B2B-Kunden ist es schwer, diese Preiserhöhungen verständlich zu machen. Ich denke, es könnte hilfreich sein, mit offenen Karten zu spielen und vielleicht sogar den grün Kaffee-Importeur wie uns als Lieferanten nach mehr Informationen zu fragen, um die Situation besser zu vermitteln.
Müssen Konsument:innen in Zukunft mit deutlich höheren Preisen für eine Tasse Specialty Coffee rechnen? Gibt es eine „Schmerzgrenze“ für den Markt?
Philipp: Das sehe ich nicht unbedingt so. Kaffee wird zwar teurer, aber Kaffee, der ohnehin schon von sehr hoher Qualität war, wird nicht zwangsläufig viel teurer. Das stellt eine große Chance für uns als Szene dar. Natürlich kann ich nicht in die Zukunft blicken, und wir werden sehen, was passiert. Wenn wir in andere Länder schauen, in denen Kaffee bereits viel teurer ist, hat sich der Konsum nicht unbedingt verringert. Vielleicht wird Specialty Coffee zunehmend zu einem Lifestyle-Produkt, gerade für die neue Generation.
We will see.
Könnte es sein, dass einige Röstereien oder Cafés Schwierigkeiten bekommen, weil sie die höheren Einkaufspreise nicht weitergeben können?
Philipp: Das kann natürlich gut sein. Es kommt hier ganz auf die Kommunikation an und darauf, wie die Röstereien einkaufen. Aber ich sehe diese gesamte Situation auch als Chance für uns als Branche. Specialty Coffee wird nicht mehr so weit entfernt vom Supermarktkaffee sein, und der Griff zu besserer Qualität könnte für Endverbraucher vielleicht weniger Überwindung kosten. Dennoch ist es keine einfache Zeit, und wir bei Ally helfen natürlich gerne, indem wir so viele Informationen wie möglich zu allen Kaffees und Preisen bereitstellen, damit die Kommunikation so transparent wie möglich ist.
Wird Specialty Coffee in Zukunft eher ein Luxusprodukt werden, oder gibt es Möglichkeiten, ihn trotz steigender Kosten für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu halten?
Simone: Ich denke, dass wir Specialty Coffee eher immer in einem gehobeneren Segment finden werden und dies nichts mit den steigenden Preisen zu tun hat. Ich finde, ähnlich wie bei Wein wird ein Großteil der Kaffeetrinker wenig Zugang zu Specialty finden, während andere sich zum Teil oder ganz in die Thematik einfinden. Für zweitere halte ich die steigenden Preise nicht für eine Hürde, da in der Gastro die Margen auf Kaffee weiterhin höher sind als auf andere Produkte. Der Kaffee Konsum zu Hause und die Einkaufsstrategie könnte sich verändern bzw. eingeschränkt werden, aber ich glaube nicht, dass die „Gewohnheit“ mindestens einer guten Tasse Kaffee am Tag komplett verschwinden wird.
Philipp: Specialty Coffee hatte für mich immer schon Merkmale eines Luxusprodukts oder eines Nischenmarktes, was auch einen Teil seines Reizes ausmacht. Für viele ist der Preis von 10-20 € für 250 g als durchschnittlicher Retailpreis für Specialty Coffee bereits Luxus, während man bei Aldi das Kilogramm für 6,99 € bekommt – und hier sprechen wir nicht einmal von den Panama Geishas, die jenseits der 500 $/kg liegen. Natürlich wird Kaffee teurer, und es könnte passieren, dass immer weniger Menschen sich diesen Luxus nicht leisten können oder wollen (zumindest vorübergehend). Trotz steigender Preise werden viele Konsumenten weiterhin guten Kaffee kaufen wollen und eventuell nach günstigeren Alternativen im Portfolio von Specialty Coffee Röstereien suchen. Vielleicht ist es auch eine Option, sich die 81-83 PPT SCA noch einmal anzuschauen und diese in das Portfolio aufzunehmen, um erschwinglichere Alternativen zu schaffen. Ich denke, dass diese Situation viele Chancen bietet und dass wir als Community nun gefordert sind, unsere Leidenschaft und Liebe für Kaffee in ein stabiles wirtschaftliches Fundament zu integrieren und dieses auch unseren Kunden verständlich zu vermitteln. Es gibt durchaus Wege, den breiten Zugang zu Specialty Coffee aufrechtzuerhalten, indem man auf Effizienz, Innovation und partnerschaftliche Geschäftsbeziehungen setzt. Zudem wächst die Nachfrage nach hochwertigem Kaffee weiter, sodass der Markt auch im zugänglicheren Segment bestehen bleiben kann.
Gibt es innovative Modelle, um Farmer:innen in dieser Situation besser zu unterstützen – z. B. alternative Bezahlmodelle oder neue Zertifizierungsansätze?
Simone: Farmer, die Produktionsmengen direkt oder an Exporteur/Importeur verkaufen, sind im Moment eher positiv betroffen, was super ist! Exporteure im Origin hingegen haben gerade mit Cashflow und Vorfinanzierung zu kämpfen, da der Wert der Ware extrem angestiegen ist. Und Farmer haben aus anderen Gründen gerade Schwierigkeiten Migrationsarbeiter/Pflücker zu finden, allerdings ist dies nicht Börsen Trend getrieben. Denke die beste Unterstützung ist es, so viel von einer Farm abzunehmen wie möglich und auch eventuelle Qualitätsunterschiede in Kauf zu nehmen und vor allem konstante Businesspartnerschaften aufzubauen.
Welche Rolle spielen direkte Handelsbeziehungen (Direct Trade) und langfristige Verträge jetzt? Sind sie eine Lösung gegen Preisvolatilität oder werden sie schwieriger umzusetzen?
Simone: Da bin ich tendenziell natürlich beeinflusst, aber langfristige Partnerschaften sind immer vorteilhaft und auch als Importeur wäre es für uns und eine Risikominimierung wichtig, auf zuverlässige Käufer zu hoffen. Im Moment kaufen Exporteure und Importeure weniger Ware, weil die Verluste und das Risiko höher geworden sind. Um also die Ware verfügbar zu haben, die man als Rösterei braucht, ist es um so wichtiger in Kommunikation zu treten und Bedarf an Rohkaffee abzuklären, egal an welcher Stelle oder welche Handelsbeziehung man pflegt.
Philipp: Direkte Handelsbeziehungen sind für mich ein vielversprechender Weg.. Sie ermöglichen langfristige, vertrauensvolle Partnerschaften und bieten eine gewisse Unabhängigkeit von der Volatilität des Marktes. Auch wenn sie nicht immer leicht umzusetzen sind, schaffen sie Stabilität und Perspektive. Unabhängig davon, ob eine Rösterei über Spot oder langfristige Verträge einkauft – entscheidend ist eine vorausschauende Planung: Wann wird welcher Kaffee benötigt, in welcher Menge, zu welchem Preis und passend zur Erntezeit.
Am Ende ist es vielleicht eine gute Mischung aus Spot Sourcing und direkten Handelsbeziehungen.