Als wir angefangen haben, bin ich mit‘m Polo an den Hafen gefahren und hab im Kofferraum 2 Sack Kaffee im Monat geholt. Jetzt ist es´n bisschen mehr geworden.“ Thomas Kliefoth, Gründer von elbgold und Juror bei der „Cup Of Excellence“, erzählt uns seine persönliche Kaffeegeschichte und die der Entstehung von elbgold an der Schwelle zur „Dritten Welle“ des Kaffees.

 

Foto credits: patmarmi 

 

Mit der Gründung von elbgold im Jahr 2004 zählen Annika & Thomas zu den ersten Spezialitätenkaffee-Röstern in Europa. Wer in Hamburgs Kaffeeszene eintaucht, stößt sehr schnell auf einen ihrer fünf modernen Stores. elbgoldverköpert seit über 15 Jahren Qualität: Sorgfältiger Rohkaffee-Einkauf, elegantes Design, konstante Röstung und geschulte Handgriffe der Barista.

Aus ihrer langjährigen Beziehung zu la marzocco resultierte mit dem Umbau der Rösterei im Schanzenviertel etwas Einmaliges: Eine von Hand blattvergoldete Custom KB90. Wo früher eine FB80 den Tresen überwachte, steht seit wenigen Wochen eine neue, moderne KB90 mit Multiboilern, Straight-In Siebträgern und Auto-Flush.

Wir haben uns mit Thomas über das Aufkommen der „Dritten Welle“ des Kaffees gesprochen und ihn zu den Anfängen von elbgold und der Speciality Coffee-Szene in Hamburg befragt.

 

 

Was ist deine erste Erinnerung an Kaffee?  

 

Ich erinnere mich nicht so ganz – ich meine, das war sehr früh. Ich glaube so mit 14. Und schuld daran ist meine Schwester, weil sie 10 Jahr älter ist als ich. Die musste mit ihrem Freund immer auf mich aufpassen. Dann haben die beiden mich mitgenommen, wir sind Eis essen gegangen und Kaffee trinken. Meistens beim Italiener, sehr häufig bei Filippi, der ist ganz hier in der Nähe von unserem ersten Laden. Herr Filippi, den alten Filippi, den fand ich besonders toll. Als ich ein bisschen älter wurde, hatte ich dann eine Vespa und wusste dann relativ schnell, wo man im Hamburg den besten Kaffee trinken kann. 

 

Wann entstand die Idee „elbgold“ in euren Köpfen? Woraus ist sie gewachsen? 

 

Annika und ich sind seit 1994 ein Paar. In den Jahren ´95 und ´96 waren wir sehr viel auf Reisen und hatten schon relativ schnell den Gedanken, dass wir ein Café aufmachen wollen. Ich war schon immer total Kaffee-irre und Annika kam gerade zurück aus den USA und hatte da Starbucks kennengelernt. Ich war eher so auf italienischem Espresso und hatte sehr früh eine Espressomaschine. Ein allererstes Geschenk zum Geburtstag war dann auch ein Herdkocher. Wir hatten also beide diesen Tick und dachten: „Wir müssten doch mal eine Kaffeebar aufmachen.“

 

Warum hat es dann doch so lange gedauert, bis ihr elbgold dann tatsächlich gegründet habt? Zwischen 1994 und 2004 liegen immerhin 10 Jahre.  

 

Ich war in den Jahren ´95 und ´96 relativ viel in England und da kam gerade die „Second Wave“ auf. Es gab die „San Francisco Coffee Company“ und die haben relativ schnell ganz viele Läden aufgemacht. Also haben wir auch ein Konzept geschrieben und sind 1996 mit diesem Konzept in der Hand zur Bank gegangen und wollten einen Kaffeeladen machen. Aber so Second Wave-mäßig, so Starbucks-mäßig. Das hat aber nicht geklappt und das war ganz schrecklich und sehr frustrierend. Daraufhin haben wir das Konzept in die Schublade geschmissen und weiterstudiert und gearbeitet. Ich als Architekt und Annika als Pressesprecherin.

 

War die Idee damit erstmal begraben? 

 

Nie so richtig. Wir waren trotzdem viel auf Reisen und haben jedes Café in jeder Stadt angeguckt, jede Rösterei abgeklappert. Zurück in London habe ich dann auch in einer Rösterei gearbeitet. 2003 bin ich zurück und wir haben Urlaub in Mexiko gemacht und dort den Entschluss gefasst: Entweder wir machen eine Weltreise, oder wir suchen uns jetzt einen Laden und machen das, was wir immer machen wollten. 

  

 

Hattet ihr zu diesem Zeitpunkt schon von der Third Wave-Bewegung gehört? 

 

Um die Jahrtausendwende waren wir in L.A. und da startete die ganze Third Wave-Bewegung, würde ich sagen. Als wir dann wieder da waren, dachten wir – ja gut, dann machen wir das auch. Was es aber noch nicht gab, war der Begriff „Third Wave“. Das war ein Mindset von verschiedenen Leuten, aber noch kein Label.

Und dann hat das nochmal 5 Jahre gedauert, bis es hier wirklich angekommen ist. 

 

Warum glaubst du, hat es so lange gedauert? 

 

Das Problem ist ja: Dir werden in Deutschland keine Fehler verziehen. Wenn du pleite gehst, dann sagen die in Amerika: „Cool, du hast was probiert, jetzt mach das Nächste“.

Das andere ist: In Hamburg hast du kaum Raum für Experimente. Hier kannst du nicht eben mal für 300€ ein 80qm Ladenlokal anmieten und was ausprobieren und wenn das nach ‘nem Jahr dann nicht hinhaut -ja gut, so what, dann hast du halt 10.000 verbraten. Das wäre alles nicht existenziell. Aber hier in Hamburg klappt entweder das, was du vorhast, oder du bist erstmal für 7 Jahre ausgeschossen und hoch verschuldet. Das dämpft natürlich jegliche Kreativität, weil das Risiko einfach zu hoch ist. 

  

 

Hast du in London auch Rösten gelernt? War dieses Rösten schon von der Third Wave beeinflusst?

Ja. Rösten hatte ich dort gelernt. Zu der Zeit, als ich in London war, befanden wir uns quasi an der Schwelle von der Second- zur Third Wave. Was für die Zeit schon sehr besonders war, war das „frische“ Rösten. Was auch besonders war, war mal einen Kaffee zu haben, der aus nur einem Land kam. Sortenreiner brasilianischer Kaffee -das war schon was Besonderes. Das stand dann auf der Packung und das war dann auch ein großes Ding. Und da wurd‘ nicht hell geröstet, da wurd‘ einfach geröstet. 

 

Also hat sich eure Art und Weise zu Rösten im Laufe der Jahre stark verändert? 

 

Ja es war ein Riesenprozess. Wir haben schon ein bisschen heller geröstet. Und da hieß es schon in Hamburg „Boah voll sauer“. Aber das war für damalige Verhältnisse hell.

Wir wollten eigentlich nur zeigen, dass Deutsche auch guten Kaffee rösten können. Wieso wird Kaffee nach Hamburg gefahren, dann kommt er auf einen Laster, wird nach Italien gefahren, weil nur die Italiener Espresso rösten können, dann wird er wieder nach Hamburg gefahren und alle sagen „Wuh“. Es wurde uns ja nur so eingeredet, dass nur italienischer Kaffee richtig ist. Und von Starbucks wurde uns eingeredet, dass nur diese dunkle Röstung richtig ist. 

 

Und auch die Zubereitung hat sich verändert. Die ersten zwei Jahre hatten wir auch Bauschaum auf dem Cappuccino, ´n schönes Häubchen. Und es gibt heute einen Kunden, der seit 17 Jahren kommt. Der bestellt immer noch Bauschaum, und den kriegt er auch. Warum nicht? Ich halte da überhaupt nichts von, die Leute zu erziehen, weil sich Menschen über Kaffee definieren, und was soll ich ihm erzählen? So wie er es macht, ist es richtig für ihn! Wir versuchen nur, andere Wege aufzuzeigen.

 

Einige sagen, das Interesse an Spezialitätenkaffee nahm in Europa erst 5 Jahre später richtig Fahrt auf. Wart ihr zuerst die totalen Nerds im Viertel? 

 

Nee, wir waren nicht die totalen Nerds, aber wir waren eben in Hamburg-Winterhude und das ist zu dem Zeitpunkt nicht so super-szenig gewesen. Das war mehr so ein kleiner Mikrokosmos innerhalb von Hamburg, und wir wurden natürlich erstmal als Café wahrgenommen und nicht als Rösterei. Erst viel später haben die Leute verstanden: „Ach ihr macht hier ein Produkt, und das kann ich hier auch kaufen.“

 

 

Wann habt ihr angefangen, direkt zu importieren? 

 

Unseren ersten Direktimport haben wir 2008 gemacht. Das war ein Kaffee aus Costa Rica. 

Das war der nächste Schritt, dass wir die Farmer besuchen, dass wir die alle kennen, dass man sich miteinander unterhalten kann und dass man weiß, wo der Kaffee herkommt. 

Als wir angefangen haben, bin ich mit‘m Polo in den Hafen gefahren und hab im Kofferraum 2 Sack Kaffee im Monat geholt. Jetzt ist es ´n bisschen mehr geworden.  Heute ist alles, was wir rösten, zu 99,9% selbst importiert. Und dieses Jahr importieren wir 17 Container Kaffee. Also 17 x 19 Tonnen. 

Das Problem am Direktimport war aber, dass unsere Mengen meist nicht ausgereicht haben, um einen Container zu füllen. Also mussten die Bauern den Rest der Ernte zu einem zu billigen Preis an jemand anderen abgeben. Deshalb haben wir gesagt: „Ok, dann versuchen wir, den weiterzuverkaufen“ und haben irgendwann angefangen, anderen Rohkaffee mitzubringen. 

Später haben wir „Plot Coffee“ gegründet, unsere eigene Import Firma. Über die verkaufen wir jetzt weiter, denn der Farmer hat mehr davon. 

 

 

Ihr seid gut vernetzt außerhalb der Kaffee-Szene. Mittlerweile findet man elbgold-Kaffee außerhalb von Cafés in Hotels, Sterne-Restaurants und exquisiten Cocktail-Bars. Ist es schwer, auch dort eine konstante elbgold-Qualität zu gewährleisten? 

 

Auf jeden Fall! Auf uns kommen schon sehr viele zu: Gehobene Gastronomie, Sternegastronomie und dann in den vergangenen Jahren auch die Hotels, die eben händeringend nach Lösungen suchen, und natürlich aber auch Aufwand scheuen. Dann sagst du denen „Willste geilen Kaffee, brauchste ne geile Maschine. Und ne Mühle brauchst du auch.“ Und dann rechnen die das zusammen und sagen: „Boah, nö“. Und eigentlich brauchst du dann auch noch einen Kaffeebeauftragten. Man kann das gut machen, aber man muss das halt auch wollen. 

 

Das Riesenproblem für uns als Röster ist ja: Bier kannst du in Flaschen abfüllen und dann musst du noch den Kronkorken aufmachen und dann ist das Thema erledigt. Aber beim Kaffee hast du noch so viele weitere Verarbeitungsschritte, mit denen du das ganze Produkt immer weiter versauen kannst. Es ist immer noch ein Produkt, das der Erklärung bedarf. Aber das ist ja auch irgendwie das Schöne daran, denn wenigstens ist da mal was über, für das es einen Menschen braucht. 

 

Die Frage ist aber auch, wie viel du als Röster die Verantwortung übernehmen musst. Aber am Ende des Tages ist das ja eigentlich nicht Aufgabe des Kaffeerösters, das Personal vor Ort zu schulen. Als Metzger fährst du ja auch nicht mit ins Restaurant und zeigst dem Koch, wie er das Steak zubereitet. 

 

Seit kurzer Zeit habt ihr eine KB90. Das erste Modell, das jemals mit Blattgold veredelt wurde. Wie sind eure Erfahrungen mit eurer neuen Maschine?  

 

Das, was ich am geilsten finde, ist Auto-Flush. Das ist natürlich klasse, weil du nicht dran denken musst und es sauberes Arbeiten erleichtert. Und dadurch, dass es nicht nur Wasser ist, sondern auch Dampf, wird auch sauberer geflusht. Die Pro Touch-Dampflanzen finden alle super. 

 

Wie lief der Vergoldungsprozess ab? 

 

Ich hab zu Georg (Espresso Prego) gesagt: „Lass uns das doch mit Blattgold machen!“ Dann haben wir eine Blattgolderin gefunden, die das gemacht hat. Nur dann wollte das keiner lackieren. Das Ding ist dann zu Porsche gegangen. Nur Porsche wollte das lackieren. Mich erinnert sie ein bisschen an ein Muscle Car aus den 70er Jahren. Wie heißt denn der aus „Zurück in die Zukunft“? DeLorean?